Terroir

Zur Info: In meinen Weinbeschreibungen verwende ich den Begriff Terroir etwas verkürzt als Synonym für Boden, Hangausrichtung und Rebe.

Wein ist Geographie in der Flasche.  

Jancis Robinson, Weinkritikerin

Terroir ist der Grundgedanke des französischen Weinbaus und seiner Gebietsregeln, und da es auch ein wunderbar und bedeutsam klingendes Wort ist, wird es gern in der modernen Weinsprache benutzt. Terroir, so Französisch, auch wenn man der Sprache nicht mächtig ist, kann man sich gleich was drunter vorstellen, klingt ja so ähnlich wie Terrain. Wir Österreicher und vor allem Wiener verwenden noch immer gerne die Sprache der Diplomatie des Wiener Kongresses, um ein wenig Noblesse zu verbreiten.

Terroir also, ein Begriff, der für vieles herhalten muss, dabei ist es relativ einfach. Vier Zutaten ergeben das Terroir:

  • Boden
  • Klima
  • Ausrichtung zur Sonne und Höhenlage
  • Menschliche Eingriffe

So wie die ökologischen Ansprüche von Zierpflanzen im Garten unterschiedlich sind (schattenverträglich, feuchteliebend, Sonnenanbeter,..), verlangen auch die unterschiedlichen Rebsorten verschiedene Terroirs. Der Eingriff des Winzers kann und soll die Beziehung zwischen Rebe und ihren Umgebungsfaktoren verbessern und in eine gute Balance bringen. Je weniger er nachjustieren muss, umso weniger Tricks notwendig werden, desto erfreulicher sind für uns die sich ergebenden Weine. Minimalismus auf hohem handwerklichem Niveau ist das Ziel.

Rebsorte

Etliche Rebsorten spiegeln das Terroir sehr klar wider, das heißt Unterschiede im Jahrgang und Standort lassen sich für den geübten Koster im Glas nachvollziehen. Riesling, Chardonnay, Sylvaner, Chenin Blanc, Pinot Noir, Gamay und Grenache Noir sind Beispiele hierfür.

Boden

Das wichtigste Kriterium, die Grundlage, da er die Reben trägt, mit Wasser und Nährstoffen versorgt und ein wichtiger Faktor der Traubenreifung, der Säure- und Tanninstruktur ist. Bodenkunde ist ein faszinierendes Gebiet, überaus komplex in seinen chemischen, physikalischen und biologischen Wechselwirkungen. Vielfältige und kleinteilige Bodenmuster durch geologische Bruchzonen wie z.B. im Elsass sind sehr beliebt bei Winzern mit Fokus auf Terroirweine.

Wird der Boden gestört durch Verdichtung, übermäßigen Kunstdünger- und Pestizideinsatz, also das Bodenleben dezimiert, ist das keinesfalls ein gutes Terroir.

Champagne Terroir
Champagne: Blick von Hautvillers über Dizy nach Ay – Wunderbarer Kreideaufschluss im Vordergrund

Klima

Dass Klimaeinflüsse wie Temperatur und Niederschlag das Rebenwachstum beeinflussen und begrenzen dürfte jedem einleuchtend sein. Durch den Klimawandel verschiebt sich bereits die Zone professionellen Weinbaus in Europa sukzessive nach Norden. Näheres dazu in Klima(wandel) und Wein.

Die Winzer haben über Jahrhunderte ihre Weingärten den Klimaverhältnissen angepasst und auch selbst in ihrem Wirkungskreis das Mikroklima im Weinberg beeinflusst. Windschutzgürtel, Bewässerungsanlagen, Errichtung von Terrassen, Frostschutzanlagen, Rebzeilenbegrünung, das alles hilft, Klimaextreme im Kleinen abzuschwächen. Aber natürlich können und werden Wetterereignisse im Laufe des Jahres zu erheblichen Schwankungen in der Stilistik eines Weines beitragen. Das Terroir schlägt wieder zu.

Ausrichtung und Höhenlage

Eng verbunden mit den Klimafaktoren sind die Exposition, also die Ausrichtung zur Sonne, die Hangneigung und die Höhenlage des Weinbergs, also die Topographie. Die meisten Lagen sind südlich ausgerichtet, um die Sonne möglichst über den ganzen Tag einzufangen, Ostlagen erhalten viel Morgensonne, Westlagen die heißere Nachmittagssonne, in südlicheren Gebieten befinden sich Weingärten gerne auch an den Nordhängen, um eine längere Reifezeit zu gewährleisten und mehr Säure in den Beeren zu belassen.

Es heißt nicht umsonst Weinberg, denn die Hänge sind bevorzugtes Revier für hochwertige Weine, die steiler einfallenden Sonnenstrahlen geben mehr Konzentration und Intensität. Außerdem weist die Weinrebe auf den meist dünnschichtigen, kargeren Extremstandorten klare Konkurrenz- und Bearbeitungsvorteile gegenüber anderen Feldfrüchten auf. Hänge haben in Gebieten mit häufig auftretenden Spätfrösten auch die gute Eigenschaft, die kalte Luft nach unten abzulassen, darum sind Standorte in Mulden auch denkbar schlecht geeignet.

Ungefähr alle 100 Höhenmeter sinkt die Temperatur um etwa 0,6 – 1 °C, daher sind hier der Weinrebe irgendwann auch Grenzen gesetzt.

Menschlicher Eingriff

Letztendlich entscheiden aber nicht die Umweltfaktoren über den Wein, sondern der Winzer. Er entscheidet, welche Flächen mit welchen Rebsorten bestockt werden, legt durch Schnitt und grüne Lese Ertragsbeschränkungen fest, überlegt den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, beobachtet den Reifeprozess, bestimmt den Lesezeitpunkt, das Keltern, den Gärungsprozess (mit Zuchthefen kontrolliert oder mit einheimischen Hefen spontan) und die Ausbauart (Holzfass oder Edelstahl oder gar Amphore). Er entscheidet, das Terroir zu unterstützen und heraus zu arbeiten oder zu verschleiern und zu verstecken. Da Terroir in Mode ist, nutzen manche Schlaucherl (die gibt es in jeder Branche) innerhalb der Winzerszene es als gute Ausrede, um missratene bis fehlerhafte Weine doch noch unter das gutgläubige Volk zu bringen. Es gibt jedenfalls in den Erzählungen der Winzer mittlerweile viel mehr Terroirweine als in Echt zu finden sind.

Die Verstärkung des Faktor Mensch

Macht euch das Terroir untertan! Seit den 70er-Jahren wird in der Weinwirtschaft versucht, den Unwägbarkeiten der Umwelteinflüsse mit viel Ressourcenaufwand beizukommen. Man muss es klar sagen, das Ziel der Weingroßindustrie ist ein immer gleich schmeckender Wein, der quasi den natürlichen Aspekten des Terroir und seinen Jahrgangsschwankungen entkoppelt ist. Es drängt sich der Vergleich mit der Glashauserdbeere aus Zuchtsubstrat unter künstlicher Beleuchtung auf. Immer da, immer gleich fad.

Der Umkehrschluss, dass nur Terroirwein guter Wein sei, ist natürlich auch nicht korrekt. Es gibt selbstverständlich auch Weine, die auf das Terroir nur wenig Rücksicht nehmen und trotzdem fantastisch zu trinken sind, z.B. Champagner von Trauben verschiedenster Parzellen mit Grundweinen aus mehreren Jahrgängen. Da brauchen wir jetzt sicher nicht dogmatisch jeden Nichtterroir-Wein ablehnen.

Die Rücknahme des Faktor Mensch

Der bedingungslose Kampf gegen die Umwelt kann natürlich nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Genauso wie Fastfood auf Dauer nicht glücklich und satt macht, sondern dem Einzelnen und uns als Gesellschaft Schaden zufügt, bringen uns die technisch seelenlosen Weine, denen das Terroir vollständig ausgetrieben wurde, nicht weiter. Wir müssen das nicht strikt auf jeden einzelnen Weinberg mit seinem spezifischen Umfeld herunterbrechen, aber Ziel des Weinbauern sollte es meines Erachtens sein, die Umweltgegebenheiten in der Weinbereitung erstens zu verstehen, zweitens zu akzeptieren und drittens sorgsam zu verbessern, wenn nötig. Das reicht meist schon aus, um gute bis großartige Weine mit Charakter hervorzubringen.